Das Wort „Lehrermangel“ ist wohl in der Bildungslandschaft ein ewiges Begleitwort, ein Zombie der alle paar Jahre wieder herauskommt. Und während jedes „Lehrermangels“ melden sich Gegenbeispiele zu Wort, die den Mangel in personam widerlegen zu scheinen. Also was ist die Wahrheit, und warum wagen wir es, dieses Zombiewort erneut in den Mund zu nehmen? Und warum gibt es diesen Mangel nur in der Sekundarstufe?
Ein Umbau mit Folgen – die ‚PädagogInnenbildung NEU‘
Das Magisterstudium (Studienbeginn bis 2012; Lehramt AHS/BHS) war noch ein Studium aus der grauen Vorzeit der Studiengänge, aus einer Zeit vor Bologna und vor ECTS-Rechnungen. Rechnerisch war es mit einer Mindeststudienzeit von 4,5 Jahren angesetzt, aber inhaltlich/vom Umfang oft genug eine Mogelpackung: während man in einem Bachelorstudium oft 4-5 ECTS für ein Proseminar bekam, haben die Magister-Lehramtsstudierenden oft nur die Hälfte dieser ECTS oder noch weniger bekommen. Schließlich waren im Lehramt-Magister oft fast 1,5 Fachbachelorstudien enthalten, sowie Schulpraxis, Fachdidaktik und Pädagogik/Bildungswissenschaft. In anderen Fällen wurde beim Einführen von ECTS, bzw. Bachelorstudium in die andere Richtung gemogelt: die ECTS im Fachstudium wurden künstlich etwas aufgeblasen, um mit den bestehenden Lehrveranstaltungen aus dem Lehramt Magister ein ganzes Bachelor- und Masterstudium herauszukitzeln. Diese ECTS-Tricksereien sorgten bei Studierenden letztlich aber immer wieder für große Verwunderung, und letztlich führten sie zu sehr stark unterschiedlichen Durchschnittstudiendauern je nach Fächerkombination oder Unterrichtsfach.
Im NMS-Bachelorstudium (Studienbeginn an Pädagogischen Hochschulen bis 2015) hingegen war die Mindeststudienzeit von 3 Jahren oft auch die Durchschnittstudiendauer: vorgefertigte Studienpläne, Jahrgangskohorten, weniger Wahlfreiheit, aber dafür auch zentral organisierte Praxistage abgestimmt mit den Lehrveranstaltungen sorgten für ein relativ schnelles Studium. Direkt danach konnte bereits der Berufseinstieg erfolgen.
Ab 2013 wurde das Magisterstudium an der Uni Salzburg und am Mozarteum bereits gegen ein 6-jähriges Bachelor- und Mastersystem getauscht, ab 2016 löste dieses Studiensystem in ganz Salzburg und Oberösterreich auch die NMS-Studiensysteme an PHs ab. Seit 2016 gibt es also nur noch ein mindestens 6-jähriges Studiensystem (4 Jahre BEd., 2 Jahre MEd.) in der Sekundarstufe, um die volle Anstellungsberechtigung an Schulen zu erhalten.
PR-Debakel, Studienprobleme, Pendelzwang
Das berühmt-berüchtigte Lehramt Studienplan 2013 Studium an der Uni Salzburg und am Mozarteum Salzburg, eingeführt vor der gesetzlichen Verankerung des Bachelor- und Mastersystems im Dienst- und Studienrecht, entwickelte sich in den letzten Jahren immer wieder zum PR-Debakel. Ein Lehramtsstudium, das nicht zum Unterricht an der Schule berechtigt, überstürztes Abschaffen im Jahr 2019 mit anschließendem IT-Chaos, Notfallreparatur für die Salzburger Absolventen des Dienstrechts durch den Nationalrat – all dies war immer wieder auch öffentlich Thema und zeichnete kein gutes Bild. Insbesondere die ersten Jahrgänge bemängelten darüber hinaus, dass das Studiensystem 2013 übereilt eingeführt wurde und in vielen Bereichen unausgereift war: Abläufe, Formulare, Anlaufstellen; all dies wurde erst im laufenden Betrieb aufgebaut als Institution School of Education.
Ab 2016 kam die problematische Aufteilung zwischen Salzburg und Linz im Lehramtsstudium hinzu. Obwohl ein beträchtlicher Anteil an Lehramtsstudenten in Linz ihr Studium absolvieren wollen, waren besonders Fächer wie Geographie, Sport, Englisch und Deutsch immer wieder ein bildungspolitischer Krimi: darf und kann Linz hier ein volles Angebot bieten, oder müssen Linzer Studierende nach Salzburg pendeln? Am Ende kam der Pendelzwang zu all den weiteren Problemen des Clusterstudiums hinzu (die auch in anderen Lehramtsverbünden existieren): Prüfungsdaten können bis heute nicht automatisch synchronisiert werden, Anlaufstellen sind komplex, Anerkennungen müssen erst über 2 Bundesländer hinweg abgestimmt werden, Lehrplanungen und Planungstreffen sind ebenfalls über 2 Bundesländer hinweg zu organisieren, zentrale Aspekte wie Schulpraxis und Anforderungen sind immer noch nicht harmonisiert. Der Studienplan hat 900 Seiten, es gibt viele Sonderregelungen, verstreute Informationen auf diversen Homepages würden manchmal sogar Aufschluss geben, doch oft genug ist nicht einmal bekannt, wo es Informationen gibt und welche es gibt.
Doch auch die Zielgruppen für ein Lehramt Sekundarstufe haben sich geändert. Während sich im alten System viele Studenten absichtlich entweder für ein 3-jähriges praxisorientiertes und dafür nicht hochwissenschaftlich überladenes NMS-Studium an einer PH entschieden haben, haben andere absichtlich das universitäre 4,5 Jahre AHS Studium gewählt mit entsprechendem fachwissenschaftlichen Fokus und in einem Unisystem mit weniger Praxisorientierung und mehr Freiheiten. Das neue Sekundarstufen-Gesamtstudium über PH und Uni hinweg mit 6 Jahren Studienzeit, sowie dem universitären Fachwissenschaftsfokus im Kern, hat hier Teile der Zielgruppe abspringen lassen, die früher an eine Pädagogische Hochschule aktiv gehen wollten.
Der Lehrermangel versteckt sich noch, auch in den Zahlen

Wechsel eines Unterrichtsfachs, bzw. Wechsel von BEd. auf MEd. unbereinigt gezählt, Erweiterungsstudien exkludiert.
Ein Blick auf die Gesamtzahlen ist komplex: ein Vergleich zwischen Cluster Mitte und den vorherigen Studiensystemen ist nicht einfach ein Vergleich Magisterzahlen vs. Bachelor-Cluster-Zahlen. Letztlich geht es um die Gesamtzahlen im NMS-System und Magisterlehramt, im Vergleich zu den schwer herauszurechnenden Clusterzahlen. Doch letztendlich sprechen die Zahlen für sich: Im alten System befanden sich zwischen 4000-4500 Studenten vor der Umstellung. Seit 2015 und mit der Einführung des Cluster-Lehramts (und der Abschaffung des NMS-Lehramts) entwickelten sich diese Studentenzahlen schnell nach unten, und unterschreiten inzwischen sogar die Marke von 3500 Studenten, von denen aber noch knapp 360 Studenten in Altstudien vorhanden sind (Magister, NMS). Letztlich könnte also knapp 1/5 bis 1/4 an Studentenzahlen im neuen System verloren gegangen sein, während sich die Studiendauer (im Vergleich zum NMS Studium) verdoppelt hat.
Auch das Lehramt Aufnahmeverfahren spielt hier eine Rolle, das seit 2017 konkretere Fristen, Abläufe und Hürden für Studienanfänger vorgibt, selbst wenn es bisher keine nennenswerte Negativquote im Aufnahmesystem (z.B. 2017) gab. Die eigentlich für das Studienjahr 2020 eingeführte Gebühr von 50€ für das Aufnahmeverfahren hätte die rückläufigen Anfängerzahlen vermutlich erneut belastet; aufgrund von Corona wurde dieser Betrag in diesem Sommer doch nicht eingehoben und der Vor-Ort-Test entfiel, doch nächstes Jahr könnte dies dann einschlagen.
Ist Lehrermangel gleich Lehrermangel?
Der Teufel liegt auch beim Mangel im Detail: zum einen ist der Mangel schwer faßbar. Insbesondere in künstlerischen Fächern gibt es an Schulen viel fachfremden Unterricht, sodass der reale Bedarf verzerrt wird durch Übergangslösungen. Fertige Lehrer, die in anderen Schulsektoren mit Sondervertrag arbeiten (z.B. Volksschule mit AHS-Lehramt-Berechtigung), gehen ebenso im System teilweise verloren; ebenso wie alle, die gar nicht an die Schule gehen.
Doch dann kommt die eigentliche Fächerverteilung, wo ein Mangel auch nicht immer quer durch die Bank gleich ist: Im Unterrichtsfach Philosophie und Psychologie ist der Stundenbedarf und Stellenbedarf niedrig, doch die Anzahl an Studierenden ist weiterhin viel zu hoch – die Universität Wien hat sogar die Aufnahme in dieses Unterrichtsfach gestoppt. Gleiches gilt, eigentlich in ganz Österreich, auch für Geschichte: die Studentenzahlen übersteigen den Stellenbedarf schon seit längerem. Auch im Mangel kann es also Überschuss geben, auch im Mangel kann durch fachfremden Unterricht oder Quereinsteiger einiges kaschiert werden. Doch hier gilt es auch in Richtung Ministerium und Bildungsdirektion kritisch zu schauen: fachfremder Unterricht oder Quereinsteiger sind ein Hohn für jeden, der ein 6-jähriges Studium für eine Berufsberechtigung durchlaufen hat und dem dieses Studium immer als alternativlose Mindestqualifikation verkauft wird. Auch eine innerösterreichische Konkurrenzsituation, also Mangel der mit Abwerbung von qualifizierten Lehrern aus anderen Bundesländern ausgeglichen werden soll, verschiebt Probleme nur.

Gerade aber zusätzliche Eignungsverfahren stehen einer schnellen Kurskorrektur in Mangelfächern im Weg. Oder haben sie den Mangel gar ausgelöst? Dringend benötigte Sportlehrer in Spe können nicht einfach in das Studium starten um den Bedarf zu stillen, sie scheitern häufig an den harten speziellen Eignungstests in Sport. Gleiches gilt auch für künstlerische Aufnahmeverfahren.

Letztlich bleibt aber zu konstatieren: die aktuelle Entwicklung spricht für einen längerfristigen strukturellen Lehrermangel im Cluster Mitte, also in den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich. Bei einem sechsjährigen Studium lässt sich diese Entwicklung auch nicht so schnell aufhalten, oder korrigieren – der Schaden ist bereits passiert, und realisiert sich erst in einigen Jahren.
Lehrermangel muss, wie gezeigt, aber nicht heißen ‚Mangel in jedem Fach‘, oder ’sofortige Anstellung an exakt der einen Wunschschule‘. Aber viele Stellen in bestimmten Fächern in Salzburg/Oberösterreich werden schwer oder fachfremd zu besetzen sein, da nicht genügend Absolventen aus den lokalen Hochschulen in den kommenden Jahren abschließen. Besonders hart könnte es ländliche Schulen, insbesondere auch im NMS Bereich oder bei gefragten MINT Fächern, in Sport oder Kunst treffen.
Gegensteuern – sofort!
Insbesondere als Lehramtsvertreter kommt einem die Sage von Kassandra, Tochter des trojanischen Königs, bekannt vor, die zwar mit der Gabe der Zukunftsvorhersage gesegnet war, aber aufgrund eines Fluchs von niemandem ernstgenommen wurde: seit Jahren haben wir nämlich vor genau dieser drohenden Entwicklung gewarnt, haben Missstände angebracht, die Probleme der Studenten immer wieder eingebracht, doch oft genug wurde alles kleingeredet und unsere Lösungsvorschläge ignoriert. Uns wurde geantwortet die ÖH/STV bausche die Probleme nur auf, man sei ja längst auf bestem Wege mit dem Lehramtsstudium in Salzburg und Linz. Als Studienvertreter haben wir inzwischen tausende Stunden hinter den Kulissen dieses Studiums verbracht: beim Schreiben eines 900-Seiten Studienplans, in Sitzungen für Lehrplanungen, Unterrichtsfächer oder beim Klären bestimmter Abläufe. Wertschätzung für die Expertise und aufgewendete Zeit erfährt man an dieser Universität wenig, häufig ist eher das Gegenteil der Fall.
Ein umfangreicher Vorschlag für Sofortmaßnahmen (der STV Lehramt in Kooperation mit den ÖH Vertretungen im Cluster Mitte) liegt dem Rektorat, dem Senat und dem Unirat seit Monaten vor; diese würden zumindest einige der Grundprobleme im Lehramt angehen. Keine künstliche PR Kampagne der Universität Salzburg kann dagegen ankommen, dass es sehr viele Unzufriedenheiten mit dem jetzigen Studium gibt. Erst eine hohe Quote an zufriedenen Studenten, die problemlos durch ihr Studium gekommen sind, kann das Ruder herumreißen.
Auch die vielen Probleme bei Auslandssemestern und entsprechend geringe Erasmus-Quote im Lehramt könnte man gleich mitreparieren, auch hierzu gibt es umfangreiches Maßnahmenpaket. Oder auch die DaF/DaZ Ausbildung inkl. Schulpraxis nicht im Bereich Schulpraxis im Lehramt anerkannt wird, wozu wir ebenfalls einen Lösungsvorschlag erarbeitet haben.
Letztlich liegt in dieser Entwicklung auch ein Teil der aktuellen Budgetprobleme der Universität Salzburg begraben. Die kolportierten 500 fehlenden prüfungsaktiven Studierenden der Universität müssten eigentlich im Lehramt mehr als vorhanden sein, wäre die Entwicklung in den vergangenen Jahren nicht so schiefgegangen. Es läge also im Selbstzweck der Universität Salzburg bei dieser Fehlentwicklung gegenzusteuern, doch bisher ist wenig davon zu sehen (Anzeigen auf Facebook zu schalten zählt nicht als „gegensteuern“). Letztlich hängt die Existenz und Daseinsberechtigungen einiger Fachbereiche an der Universität Salzburg maßgeblich vom Lehramt ab. Aber nachdem die langjährig-erfahrenen Studentenvertreter im Lehramt sogar von der Task-Force Lehramt an der Universität Salzburg aktiv ausgeschlossen wurden… einer Task-Foce, die sich aktiv mit Verbesserungen im Lehramtsstudium befassen soll: mit diesem Artikel und mit den oben verlinkten Dokumenten liegt aber nun alles auf dem Tisch, hier sind die Zahlen, das ist die Realität.
Und so hoffen wir wie Kassandra immer wieder, dass wir diesmal gehört werden mit der immer gleichen Vorhersage: gegensteuern, sofort!